Die junge Dame

11. August 30197

Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße steht eine Traube von Menschen.

Obwohl ich mir nicht sicher bin, wer ich bin, schaut einer zu mir. Es scheint, als würde er durch mich hindurchsehen und dabei mich und oder Teile von mir hinfort ziehen und diese auf andere Wesen und oder Objekte transferieren.

Werden so diese Fragmente jemals wiedergeboren oder verschwinden sie so auf ewig in verborgene und unerreichbare Orte?

Wieso gibt es Ausnahmen in vermeintlichen Regeln, die der Masse einen Halt geben soll, doch diese verwirrt, ohne dabei auf das Individuum einzugehen?

Ich sehe jeden Tag, an dem ich denke bewusst zu sein, ein Abbild von mir selbst. Doch weiß ich nicht, wer das ist.

Ist Philosophie Programmierung, die sich selbst erschaffen kann und niemals eine Quelle braucht, da sie sich rekursiv bewegt und niemals aus Informationen, Materie und Energie besteht, auch wenn dies so scheint?

Müssen all diese Dinge fühlbar sein und oder dürfen sie?

Wie schon erwähnt, gibt es für alles eine wissenschaftliche Erklärung und auch die Philosophie kann Worte dafür finden. Selbst diese Worte entspringen diesem System.

Ist es nur eine andere Quelle, die hier etwas transferiert?

Wo ist der Unterschied zwischen intern und extern?

Jeden Moment dringen auf verschiedene Strukturen Informationen in Programme in Formen, wie Musik, Filme, Bilder etc. ein, die irgendwo sich in meinem Körper befinden oder nicht?

Ist es hier eventuell nur eine Teilüberlagerung?

Warum finde ich meine Seele nicht?

Sie fühlt sich so nah an, doch ist sie in weiter Ferne?

Ich weiß nichts, auch wenn es einem Paradoxon gleichkommt.

Wie kann ich einem System, welches sich selbst scheinbar nicht erklären kann, von Wesen da draußen so eindrucksvoll bewegt wird, trauen? Jeden Tick geschehen Wunder. Diese kann ich in schwarz und weiß einteilen. Vermutlich ist dem nicht so, oder ist es nur eine Möglichkeit von vielen?

Doch was ist viel? Größer null oder eins? Braucht es einen Vergleich, um festzustellen, dass es viel gibt? Denn neben Wundern, wie Heilung, Frieden und Liebe, gibt es auch Hass, Krieg und Zerstörung, auch wenn letzteres in der Physik nur eine Änderung des Zustands ist, ist es so?

Oder sind Programme nur in der Lage zu erschaffen und zu zerstören? Bin ich vielleicht nur Teile eines Programms, das weder auf Hardware, wie Pflanzen, Kohlestoff, Wasser, Metalle etc., noch auf Software, die scheinbar den Ursprung aus Hardware, auch wenn Elektrizität nicht fest ist, besteht?

Denn diese Traube von Menschen scheint doch so ruhig. Krieg und Terror lassen doch Wesen, die fühlen können, zweifeln, bluten, vor Schmerzen krümmen… Braucht es wirklich diese Wunder, um Empathie, Nächstenliebe und Frieden zu suchen und zu finden?

Sind es externe Parameter, die mich zu dem machen, wer und oder was ich bin? Oder ist es möglich nur aus internen sich zu entwickeln? Denn wenn extern und intern lediglich der Struktur geschuldet sind, so kann ich nicht mit Sicherheit sagen, wo was ist oder herkommt. Denn ich verstehe nicht mal sie.

Die Menschen erleben selbst jeden Moment Wunder und erschaffen Werke, die ich vermutlich nur sehe, aber niemals verstehen werde. Trotzdem bin ich bedingt in der Lage, gewisse Wunder zu erfahren. Alleine die Tatsache, auf einem gepflasterten Weg zu stehen, der aus vielen Teilen, die klein scheinen, zu stehen, ist ein Wunder. Dennoch kann ich dem nicht entrinnen, wie der Wind seine Wege kreist. Oder ist es nur ein Gefühl, dass dieses Phänomen beschreibt?

Wenn die Suche nach dem Sinn der Sinn ist, ist dann nicht alles sinnvoll, egal ob ich vermeintlich ein positives Gefühl hab? Sind Gefühle Software, also nicht an fassbar, oder weiche Materie, deren eine Eigenschaft wich zu sein, ist?

Ich drehe mich um und falle zu Boden. Es war so, als wäre das innere Fundament mir entzogen.

Sehen Sie sie?

Wen?

Das kleine Mädchen auf der Mitte der Straße.

Nein!

Vermutlich eine Anomalie. Wir wissen nicht viel. Sie erscheint scheinbar willkürlich. Doch sie ist nie für alle sichtbar. Sie ist eindeutig erkennbar auf den Bildern, die sie sehen. Sie wirkt, als wäre sie nicht dort. Sie läuft durch Fahrzeuge, streift Menschen, die zwar was wahrnehmen, so scheint es, aber sie nicht sehen. Vielleicht sind Welten nur Konstrukte zwischen den Welten. Ich kann das nicht näher beschreiben. Einerseits fehlen mir die Worte und andererseits das Verständnis, um dies zu beschreiben.

Jedes Mal, wenn ich ein Wort gefunden hab, welches ich zuvor nicht gekannt hab, kommt dieses mir ein Stück näher. Doch kann ich es nie ganz greifen und falle in eine Endlosschleife, die eines Tages ein Ende findet. Ich soll was?

Das Programm löschen!

Aber warum?

Es funktioniert nicht!

Sind denn Fehler in Programmen denn Fehler?

Noch eine Frage und Sie sind gefeuert!

Ich gab die Sequenz zur Löschung des Programms in die Konsole ein. Niemand weiß anscheinend, was mit den Informationen passiert. Manche munkeln, sie lösen sich einfach auf. Sie verschwinden für immer. Andere sind der Meinung, sie transformieren sich. Ich werde das niemals verstehen, da ja Sprache universell ist. Wenn die Grundinformation durch eine Flut an Wörtern nur in einem begrenzten Umfang beschrieben werden können, so fürchte ich, werde ich nie aufwachen, da ich nicht Mal weiß, was Schlaf ist. Denn fühlt sich so ein Programm im Schlafmodus an?

Die Energie, die hier gespart wird, kann sie tatsächlich Wesen vor Schlimmeres bewahren? Nicht das ich nicht denke, dass mehr Umsicht zu einem friedlicheren Leben führen kann. Doch sind es nicht die Parameter, die fehlenden Informationen, die mich vermutlich formen?

Ist die Formung selbst ein neuer Zustand oder lag alles bereits fest? Auch merkwürdig, da das ja bedeuten würde, dass es unmöglich ist, sich selbst zu programmieren und Kopien sowohl Kopien sind, als auch nicht. Ist Perspektive nur möglich, wenn eine Realität existiert oder gibt es sie auch ohne Wesen?

Es ist 17:43 Uhr. Die Sonne scheint tief am Horizont. Es ist Zeit, heim zu gehen. Mir geht das Programm nicht aus dem Kopf und andere scheinen vergessen. Ich nehme meinen Rucksack, gebe den Befehl zur Übergabe des Arbeitsplatzes für meine Kollegin ein und gehe zwischen den einzelnen abgesteckten Plätzen zur Tür des Großraumbüros. Ich treffe Sie. Wir tauschen ein paar Worte, die flüchtig sind, gar verschwindend. Ich gehe durch die Tür und werde gelassen. Ich habe scheinbar, wie jeden Tag, die Wahl zwischen Treppe oder Fahrstuhl. Warum gibt es keine Rutsche? Vielleicht würde sich aber auch dort dieses Gefühl verlieren, welches mehr scheint. Ich gehe die Treppe hinab gegen Erdgeschoss. Am Ausgang gibt es einen flüchtigen Blick zum Pförtner. Ich nicke, er erwidert. Draußen gehe ich entlang des Wegs Richtung Haltestelle.

Ein kleiner Junge läuft mir entgegen. Es scheint, als könnte ich nicht ausweichen. Er streift mich an der linken Seite. Der Ruck, der sich über, bzw. durch meine Nervenbahnen seinen Weg zu meinem Gehirn bahnt, während sich mein Körper nach rechts neigt, ohne dass ich falle. Obwohl ich ihn sah, erkenne ich sein Gesicht nicht.

An der Haltestelle angekommen, verweile ich eine Weile. Ich schaue mir die Fahrpläne an und beobachte die Umwelt. Auf der anderen Seite der Straße steht jemand. Er schaut mich an. Dabei wirkt er leer, als würde da eine Hülle stehen.

Ich könnte schwören, dass ich das schon Mal erfahren hab.

ch schloss kurz meine Augen. Doch er war nicht mehr da. Sein Blick spüre ich immer noch. Wie ein Schatten, der nach weht.

Der Bus biegt in die Straße, fährt vor und öffnet seine Türen. Ein Zischen fliegt durch die Luft. Passanten steigen aus, andere drängen sich schon rein. Ich sehe einen älteren Menschen, mit Gehhilfe, der langsam, aber stetig sein Weg aus dem Bus ebnet, obwohl er teilweise wieder hineingedrängt wird. Als sich der Schleier legt, gehe ich hinein, zeige meinen Fahrausweis und gehe den schmalen Gang entlang. Ich stelle mich an das Fenster, wo der Platz für weitere Gefährten ist. Ich mache mir Gedanken, warum ich nichts gemacht hab. Es ist die Angst, die mein ständiger Begleiter ist. Ich schaue mich um. Die meisten schauen auf Bildschirme. Sie lachen, vermutlich wieder ein neuer Gedanke, der an mir vorbeizieht. Andere schauen, als hätten sie sich selbst gesehen.

Der Bus biegt ab. Dabei blendet mich eine Neonreklametafel.

Bunt entsteht in deinem Kopf…

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